Montag, 03.09.2012

„Krankenhäuser müssen sich auf starken Anstieg dementer Patienten einstellen“: Fachtagung in Telgte mit über 150 Teilnehmenden

Die Botschaft des Experten war eindeutig: „Das Thema Demenz ist in den Krankenhäusern noch nicht richtig angekommen, die dementen Patienten aber sehr wohl“. Diese Erfahrung von Professor Dr. Ingo Füsgen, Chefarzt in Velbert und Inhaber des Geriatrie-Lehrstuhls an der Universität Witten-Herdecke, wurde von über 150 Pflegenden, Ärzten und Sozialarbeitern mit anhaltendem Beifall bestätigt. Sie waren aus ganz Nordrhein-Westfalen und aus Niedersachsen im Telgter St. Rochus-Hospital zu einer Fachtagung zusammengetroffen.

Über 150 Fachleute aus Krankenpflege, Medizin und Sozialarbeit erörterten im St. Rochus-Hospital Telgte Wege zu einer besseren Versorgung dementer Patienten im Krankenhaus.

Organisatoren und Referenten (v.l.): Moderator Matthias Schulte, Anika Schilder, Dr. Susanne Angerhausen, Annette Wernke, Gerlinde Strunk-Richter, Sr. Diethilde Bövingloh, Stefan Juchems, Professor Dr. Ingo Füsgen, Cornelia Plenter, Dr. Manfred Kolck, Sonja Hus, Ingo Rühlmann, Verena Schulte-Sienbeck.

Unter dem Titel „Auf dem Weg zum demenzsensiblen Krankenhaus“ ging es dabei um die Verbesserung der Krankenhaus-Versorgung für Patienten mit Demenz. Gemeinsame Veranstalter waren die Franziskus Stiftung und das Demenz-Servicezentrum Münsterland. Vom Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes NRW nahm Stefan Juchems teil.

Handlungsbedarf ist definitiv gegeben: „Bereits jetzt sind 50 Prozent der Krankenhauspatienten in Deutschland alte Menschen, und der Anteil der Über-80-Jährigen wird sich in den nächsten Jahren verdreifachen“, so der Ausblick von Professor Füsgen. Zwar hätten einzelne Krankenhäuser modellhaft Stationen für Demenzkranke eingerichtet. Dies stelle grundsätzlich eine Verbesserung dar. „Aber was ist mit den vielen Patienten, die an Demenz leiden, jedoch wegen einer anderen Erkrankung behandelt werden und dann etwa auf der Inneren oder der Chirurgischen Station liegen?“, fragte der Geriatrie-Experte.

Verirren auf der Station, nächtliche Unruhe, aggressives Verhalten oder auch Nahrungsverweigerung: So können Reaktionen von Demenzkranken auf die ungewohnte Umgebung und den veränderten Tagesablauf im Krankenhaus aussehen. Dagegen lässt sich durchaus etwas unternehmen: „Mit speziellen Pflegekonzepten und besonders geschultem Personal ist es möglich, die Situation für betroffene Patienten zu verbessern“, unterstrich der Referent. So würden etwa kognitives Training sowie – bei längerem Krankenhausaufenthalt – Ergotherapien und künstlerische Therapien nachweislich gute Ergebnisse erbringen. Allerdings stünden dafür mitunter nicht genügend Ressourcen bereit. Hinzu komme bisweilen das Fehlen von Konzepten sowie eine Tabuisierung von Problemen rund um die Demenz.

In einem weiteren Vortrag erläuterte Dr. Susanne Angerhausen, Leiterin des Projektes „Blickwechsel Demenz“, bisher bestehende Ansätze für eine demenzsensible Versorgung im Krankenhaus. Sonja Hus und Ingo Rühlmann berichteten über Erfahrungen mit der Betreuung akut-erkrankter Patienten mit Nebendiagnose Demenz im St. Elisabeth-Krankenhaus in Thuine. Gerlinde Strunk-Richter von der Landesinitiative Demenz-Service NRW referierte zum Thema „Stressfaktor Pflege“. Die Schwerpunkte des Kongresses wurden am Nachmittag in Workshops vertieft: Hier standen die Themen „Implementierung von Betreuungsgruppen im Krankenhaus“, „Biografie-orientierte Pflege bei Menschen mit Demenz mit herausforderndem Verhalten“, „Umbau einer Akutstation zur demenz-sensiblen Station“ und „Resilienz – psychische Widerstandsfähigkeit fördern“ auf dem Programm.

Schwester Diethilde Bövingloh vom Vorstand der Franziskus Stiftung und Chefarzt Dr. Manfred Kolck vom St. Rochus-Hospital hatten zu Beginn unterstrichen, dass die Tagung einen Beitrag zu einem „Thema von wachsender Bedeutung, das viele Menschen direkt oder indirekt existenziell betrifft“, leisten wolle. Anliegen der Franziskus Stiftung als konfessioneller Krankenhausträgerin sei es, von Demenz betroffenen Patienten „auf Augenhöhe und mit Respekt“ zu begegnen. „Bei der Tagung haben wir Wege dazu aufgezeigt und für diese wichtige Zukunftsaufgabe in Pflege und Medizin sensibilisiert“, so die Bilanz von Anika Schilder, Referentin für Pflege bei der Franziskus Stiftung. Sie hatte die Tagung gemeinsam mit Annette Wernke vom Demenz-Servicezentrum Münsterland organisiert.